Sonntag, 30. September 2018


Rechtsschutzversicherung hat keinen Anspruch gegen Rechtsanwalt auf Rechnungslegung vor Beendigung des Auftrags; §§ 666 BGB; 86 VVG

 

AG Bottrop, AZ: 8 C 32/18, 16.08.2018

 

Ein Rechtsanwalt kann der Rechtsschutzversicherung auch telefonische Auskunft erteilen.

Eine Endabrechnung muss der Rechtsanwalt der Rechtsschutzversicherung erst dann erteilen, wenn der Auftrag beendet ist. Die Beweislast für die Beendigung des Auftrages trägt die Rechtsschutzversicherung.

Rechtsschutzversicherung muss bei zu Unrecht verweigertem Deckungsschutz die Kosten eines eingeschalteten Rechtsanwalts übernehmen; § 280 BGB

 

AG Bottrop, AZ: 8 C 193/17, 08.02.2018

 

Eine Rechtsschutzversicherung kann die Verweigerung der später erteilten Deckungszusage für ein Berufungsverfahren nicht damit rechtfertigen, dass die Eintrittspflicht im Hinblick auf die Erfolgsaussichten zunächst abzulehnen war, wenn ihr alle Tatsachen bereits bei der erstinstanzlichen Deckungsschutzanfrage mitgeteilt worden waren und sie daraufhin Deckungsschutz erteilt hat.

Denn mit der Deckungszusage bestätigt die Rechtsschutzversicherung ihre Leistungspflicht für einen bestimmten Versicherungsfall, was als deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu werten ist mit der Folge, dass ihr Einwendungen verwehrt sind, die sie bereits kannte.

Hat der Versicherungsnehmer aufgrund der Pflichtverletzung einen Rechtsanwalt beauftragt, ein Schlichtungsverfahren bei dem Versicherungsombudsmann in Berlin einzuleiten, muss die Rechtsschutzversicherung den hieraus entstandenen Schaden in Höhe der angefallen Rechtsanwaltskosten aus Nr. 2303 VV RVG gem. § 280 BGB erstatten.

Ein Schaden entfällt auch nicht aufgrund der Vorschriff aus § 14 Abs. 2 VomVO, wonach die Beteiligten ihre eigenen Kosten selbst zu tragen haben. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass die Beteiligten ihre Verfahrenskosten nicht im
Rahmen des Schiedsverfahrens geltend machen können. Daraus kann im Umkehrschluss aber gerade nicht gefolgert werden, dass eine Geltendmachung außerhalb des Schiedsverfahrens nicht möglich ist.

Bei dem Ombudsmann in Berlin handelt es sich um eine Gütestelle im Sinne von § 794 Nr. 1, die die Streitbeilegung gemäß § 15 Buchst. a Abs. 3 EGZPO betreibt.

§ 15 Buchst. a Abs. 3 EGZPO erfasst von der Landesjustizverwaltung eingerichtete oder anerkannten Gütestellen oder sonstige Gütestellen, die die Streitbeilegungen betreiben.

Dabei ist es unschädlich, dass es sich bei dem Versicherungsombudsmann-Verfahren um eine Verbraucherschlichtungsstelle handelt. § 15 Buchst. a Abs. 3 EGZPO differenziert zwischen von der LandesjustizverwaItung eingerichteten Gütestellen, anerkannten Gütestellen sowie sonstigen Gütestellen. Dem Wortlaut zufolge ist es gerade nicht erforderlich, dass es sich um eine gesetzlich eingerichtete Schlichtungsstelle handelt.
 
Dass die Rechtsschutzversicherung bei zu Unrecht verweigertem Deckungsschutz die dem Versicherten für den beauftragten Rechtsanwalt entstandenen Kosten erstatten muss, ist nicht neu. In der Praxis scheitert der Anspruch allerdings meist daran, dass der Rechtsanwalt schon vorher mit der Deckungsanfrage beauftragt war und die so bereits entstandenen Gebühr gem. Nr. 2300 VV RVG durch den Verzug der Rechtsschutzversicherung nach ständiger Rechtsprechung nicht noch einmal erneut anfallen kann.

Etwas anderes gilt aber, wenn der versicherte Mandant trotz Bekanntgabe aller notwendigen Informationen keinen Deckungsschutz erhält und seinen Rechtsanwalt nicht mit einer "Nachverhandlung" mit der Rechtsschutzversicherung beauftragt, sondern ihn sofort beauftragt, ein Schlichtungsverfahren einzuleiten.

Die dann entstehende Gebühr richtet sich nicht mehr nach § 2300 VV RVG, sondern nach § 2303 VV RVG, die erst mit Einleitung des Schlichtungsverfahrens entsteht. Eine Anrechnung der zuvor entstandenen Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG kommt wegen § 15a Abs. 2 RVG nicht Betracht.

Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 VomVO regelt lediglich, dass die Parteien im Schlichtungsverfahren keine Verfahrenskosten geltend machen können, hindert den Versicherten aber nicht, diese Kosten aus § 280 BGB einzufordern und notfalls gerichtlich geltend zu machen.

Das AG Gladbeck hatte bereits im gleichen Sinne entschieden.

Darüber hinaus ist die Schlichtungstselle nicht nur wegen der Kostenneutralität für den Verbraucher besonders attraktiv. Die Verfahren werden wesentlich schneller abgeschlossen, als ein gerichtliches Verfahren und sind bis 10.000,00 € für die Versicherung verbindlich.

Letztlich meiden Versicherer bei einer für sie ungünstigen Sachlage meist den Schiedsspruch, da jeder Schiedsspruch zu Lasten einer Versicherung dokumentiert wird, so dass die Versicherer meist innerhalb von zwei Wochen ihre Entscheidung korrigieren, um dem Schiedsspruch vorzubeugen.

 


Anspruch auf Rückbau eines Überbaus muss nicht gegen alle Miteigentümer geltend gemacht werden; §§ 902, 912, 990 BGB; 62 ZPO

 

LG Essen, AZ: 13 S 28/18, 17.09.2018


Bei Klagen gegen mehrere Miteigentümer eines Grundstücks kommt eine notwendige Streitgenossenschaff nur dann in Betracht, wenn der geltend gemachte Anspruch rechtlich lediglich von allen Mitberechtigten gemeinsam und/oder aus dem Gemeinschaftsvermögen, nicht aber von einem einzelnen Berechtigten allein erfüllt werden kann. Hierunter fallen Klagen auf Auflassung eines Grundstücks, auf Einräumung eines Notwegerechts, auf Übernahme einer Baulast oder auf Einräumung sonstiger dinglicher Rechte an einem Grundstück. Bei einem Anspruch auf Rückbau eines Überbaus geht es dagegen nicht um die Vornahme einer Verfügung, zu welcher der Beklagte nur gemeinsam mit seiner Miteigentümerin berechtigt wäre. Ein Verfahrensfehler liegt vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. I ZPO entwickelt worden sind, was der Fall ist, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, wenn sie gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, oder wenn das erstinstanzliche Gericht Tatsachenvortrag der Parteien übergangen bzw. von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen verwertet hat. Wer einen Überbau im Grenzbereich des Grundstücks verursacht, handelt mindestens grob fahrlässig, wenn er zuvor keine Erkundigungen über den Grenzverlauf eingeholt hat. Wird der Überbau im Wege einer Instandsetzungsmaßnahme erneuert, beginnen die Verjährungsfristen erneut zu laufen. Eine Verwirkung kommt in diesem Falle ebenfalls nicht in Betracht.